zu den Aufnahmen

Das wichtigste musikalische Ziel war für Olaf Raitzig die klangliche Umsetzung seiner Übertragungen. Die geschriebene Note liefert ja nichts anderes als eine Grundlage für die Musik. Er wollte die Motetten unbedingt zum Klingen bringen. 

Außerdem verfolgte er als großer Verehrer der ars nova aufmerksam das gotische Konzertleben und die Platten- und CD-Produktion auf diesem Gebiet. Er war der Meinung, dass die ars nova Motetten darin einen äußerst stiefmütterlichen Platz einnahmen. Er wusste, dass sie allgemein als spröde und maniriert galten und er vermutete, dass den damaligen Ensembles ihre musikalische Umsetzung schwer fiel. 

All das bestärkte ihn in seinem Vorhaben.  Er begann damit, Klangbeispiele zu erzeugen, um den Musikern den Zugang zu den Kompositionen zu erleichtern.

1987 tauschte er seinen wunderbaren „Blüthner“ Flügel gegen einen „Commodore C64“ Rechner, nutzte das Musikprogramm „Supertrack“ der Firma „C-Lab“ als Sequenzer und machte damit den ersten Schritt in die Welt der synthetischen Klänge.

Etwas später ersetzte er diesen Anfangsbestand durch einen „Atari 1040ST“ mit dem damals sehr guten Musikprogramm „Notator“ der gleichen Firma. Gleichzeitig kaufte er seinen ersten Synthesizer von „Yamaha“.

Diese Grundausstattung wurde im Laufe der Zeit durch eine Vielzahl von Synthesizern, Hallgeräten und Mischpulten erweitert, deren Variabilität er sich zunutze machte, indem er ihre Klangfarben, Einschwingvorgänge und Hüllkurven eigens für seine Zwecke umprogrammierte.

 

zeitstrahl

Er fand zunehmend Gefallen an der Arbeit mit den modernen Instrumenten, und was zunächst nur als Hilfsmittel gedacht war, entwickelte sich immer mehr zu seiner vorrangigen Aufgabe.

Ein Beispiel für die Auswahl und Kombination der einzelnen Instrumente befindet sich hier.

Das folgende Zitat veranschaulicht sehr gut seine Beweggründe:
„Zunächst benutzte ich Synthesizer, um Aufnahmen herzustellen, die meinen Sängern die Aneignung rhythmisch schwieriger Stücke erleichtern sollten. Bald lernte ich jedoch die außerordentlich reichen künstlerischen Möglichkeiten schätzen, die diese neu erfundene Instrumentengattung insbesondere der Realisierung von ars nova Motetten bietet. 

Die gotische Motette zeigt nämlich in ihrer zweihundertjährigen Entwicklung die Tendenz, alle ihre musikalischen Elemente rationaler Kontrolle zu unterwerfen und dadurch - und das ist das Einmalige! - den Ausdruck zu steigern. Dazu scheint mir der Synthesizer zu passen, der nicht von kostbaren Materialien und edlen Formen, sondern von stimmigen Berechnungen lebt.“

Die letzten zwölf Jahre seines Lebens widmete Olaf Raitzig ausschließlich der musikalischen Umsetzung der Motetten.

Bis zu seinem Tod am 22. August 2008 entstanden auf diese Weise eine Vielzahl von Aufnahmen, die er unter dem französischen Begriff „alors“ zusammenfasste.